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Andropows Kuckuck
Andropows Kuckuck
Andropows Kuckuck
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Andropows Kuckuck

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Andropows Kuckuck

Eine Geschichte der Liebe, der Intrigen und des KGB

Eine junge, patriotische, idealistische Sowjetfrau heckt einen gewagten und gefährlichen Plan aus, um die Vereinigten Staaten auszuspionieren. Sie hält es für einen Scherz, aber ihre Mutter und die Kommunistische Partei machen es möglich. Wie wird sie mit dem Druck fertig werden, und was wird ihr Schicksal sein?
Andropov's Cuckoo ist ein spannender Spionage-Thriller.

LanguageDeutsch
Release dateMay 21, 2022
ISBN9781547565689
Andropows Kuckuck

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    Book preview

    Andropows Kuckuck - Owen Jones

    WIDMUNG

    Diese Ausgabe ist meiner Frau Pranom Jones gewidmet, weil sie mein Leben so einfach macht wie sie nur kann – sie macht ihre Sache sehr gut. Karma wird jedem alles gerecht vergelten.

    INSPIRIERENDE ZITATE

    Glaube nicht einfach an alles, nur weil du es gehört hast.

    Glaube nicht einfach an alles, nur weil man darüber spricht und redet.

    Glaube nicht einfach an alles, nur weil es in deinen religiösen Büchern geschrieben steht.

    Glaube nicht einfach an alles, nur weil die Autorität deiner Lehrer und Eltern es fordert.

    Glaube nicht einfach an alles, nur weil die Tradition es über Generationen hin gebietet.

    Falls du aber nach genauer Beobachtung und Analyse erkennst, dass es vernünftig ist

    und dem Guten wie dem Wohlergehen des Einzelnen und aller dient,

    dann akzeptiere es und lebe strikt danach.

    Gautama Buddha

    ———

    Oh großer Geist, dessen Stimme ich in den Winden vernehme, höre mich. Ich brauche Deine Kraft und Weisheit.

    Mache, dass ich immer den roten und purpurnen Sonnenuntergang sehe. Mögen meine Hände die Dinge achten, die Du mir gegeben hast.

    Lehre mich die Geheimnisse, die unter jedem Blatt und jedem Stein verborgen sind, wie Du die Menschen schon immer gelehrt hast.

    Lass mich meine Kraft nicht dazu gebrauchen, meinen Brüdern überlegen zu sein, sondern um meinen größten Feind – mich selbst – zu bekämpfen.

    Lass mich immer mit reinen Händen und einem offenen Herz vor dich treten, damit mein Geist, wenn mein Erdenleben wie der Sonnenuntergang schwindet zu Dir zurückkehren kann, ohne sich schämen zu müssen.

    (Frei nach einem traditionellen Gebet der Sioux)

    ––––––––

    INHALTSVERZEICHNIS

    1 William Davies

    2 Yui Mizuki

    3 Natalja Petrowna

    4 Der Sommer von 1967

    5 Juri Wladimirowitsch Andropow

    6 Operation Youriko

    7 Der Plan wird in Gang gesetzt

    8 Der KGB

    9 Alltagstrott

    10 Der Urlaub

    11 Lubjanka

    12 Archipelag Gulag

    13 Ein neuer Job

    14 Leningrad 1978

    15 Total verknallt

    16 Sotschi, Krasnodarski Kraj

    17 Zur vollen Flasche

    18 Die Maultierkarawane

    19 Die letzte Etappe

    20 Cheltenham

    21 Epilog

    22 Nachwort

    Dead Centre – Kapitel Eins

    Über den Verfasser

    1 WILLIAM DAVIES

    „Er kommt zurück, Peter!"

    „Halt ihn hier! befahl der Herz- und Gefäßchirurg, während er mit geübtem Blick rasch die Maschinen und Monitoren auf den Gestellen über der gegenüberliegenden Seite des Bettes checkte. „Lass ihn nicht wieder das Bewusstsein verlieren. Wenn wir das zulassen, könnte es das letzte Mal sein.

    All die blinkenden und flatternden Lichter auf allen Monitoren begannen sich ebenso wie die Pieps- und Summtöne zu normalisieren.

    „Mach schon, William, schlaf uns jetzt nicht weg", drängte er seinen Patienten.

    „Ich bemühe mich ja", hörte ich mich in meinem Kopf sagen, aber ich schaffte es nicht, meine Lippen dazu zu bringen, meine Gedanken auszusprechen. Tatsächlich hatte ich, zehn Minuten bevor ich die erste Stimme sprechen hörte, eine Weile gedacht, ich sei gestorben. Der einzige Grund, mein Ableben zu bezweifeln, war die Tatsache, dass ich Spiritualist bin. Ich habe immer daran geglaubt, dass Freunde und Verwandte auf der Anderen Seite warten, um die Verstorbenen zu begrüßen. Niemand hatte auf mich gewartet... Nicht dass ich viele Freunde oder Verwandte, ob nun tot oder lebendig, hätte. Obwohl ich wusste, dass es einen Menschen gab, auf den ich mich verlassen konnte.

    Ich musste mich den Ärzten ergeben und mich auf ihre Kompetenz verlassen. Ich wollte ihnen ein Zeichen geben, dass ich sie hören konnte, also versuchte ich, mit meinen Fingern zu klopfen und meine Zehen zu bewegen, aber ich hatte keine Ahnung, ob sie sich bewegten oder nicht. Nach der fehlenden Reaktion der Ärzte und Schwestern zu schließen, die offensichtlich um mein Bett herumstanden und versuchten mir zu helfen, bewegten sie sich nicht.

    „Seine Augen zucken, Ich glaube, er versucht sie zu öffnen", bemerkte eine weibliche Stimme bewegt. Ermutigt von dieser Unterstützung strengte ich mich noch mehr an, und eine Minute oder so später konnte ich durch einen Spalt in meinen Augenlidern das gütige Gesicht eines Mannes erkennen, der mich anlächelte.

    „Willkommen zurück, William, sagte er und schien es ernst zu meinen, „wir dachten, diesmal hätten wir dich verloren. Willkommen zurück im Land der Lebenden. Es tut mir sehr leid, mein Alter, aber ich muss weg, jetzt wo du wieder in Ordnung kommst. Aber die Damen und Herren hier sind außerordentlich kompetent und werden sich genauso gut um dich kümmern wie ich es könnte. Bis später!

    Er gab den anderen flüsternd Anweisungen, dann ging er.

    Es ist seltsam, aber wenn man nur noch sehr wenig Kraft hat, ist es bemerkenswert einfach zu fühlen, wie sie abebbt oder wiederkommt. Was meinen Fall angeht, ich wurde mit jeder Sekunde kräftiger. Ich weiß nicht, was für Medikamente man mir gegeben hatte, aber sie und mein Lebenswille wirkten Wunder.

    „Wir behalten Sie über Nacht hier, William, aber wenn es morgen gut aussieht, können Sie in Ihr eigenes Bett zurück. Das wird fein, nicht wahr?"

    Ich versuchte zu nicken und zu lächeln, aber ich fühlte nur eine Träne aus meinem linken Auge über meine Schläfe und in mein Ohr rinnen. Ich habe schon seit fast drei Jahren nicht mehr in meinem eigenen Bett geschlafen, aber ich wusste natürlich, was sie meinte. Sie versuchte nur nett zu sein... optimistisch, und ich wusste es zu schätzen. Es ist nur... Es ist komisch, woran man so denkt, wenn man merkt, dass man in den letzten Atemzügen liegen könnte.

    Ich halte mich nicht für gläubig, obwohl ich annehme, dass andere mich so sehen könnten. Ich glaube einfach an ein Leben nach dem Tod, an Reinkarnation und Karma. Also hatte der Tod nie irgendwelchen Schrecken für mich, und das Leben ist nur dadurch ein wenig besser, dass es eine größere Vielfalt an Erfahrungen und mehr davon ermöglicht.

    Meine letzten Gedanken hatten nicht Leben oder Tod und nicht einmal meinem Schöpfer, dem ich bald gegenüberstehen sollte, gegolten, sondern den Menschen, die ich geliebt habe, und besonders den Frauen, denn ich hatte ihre Gesellschaft immer der von anderen Männern vorgezogen. Man könnte argumentieren, das wäre das Vorbeiziehen meines Lebens vor meinen Augen gewesen, aber es war eine nette, bearbeitete Version und es zog nicht vorbei. Es verweilte in träger, üppiger, verführerischer Weise.

    Ich glaube sogar, der Film meines Lebens wäre nicht zu Ende gewesen, wenn ich an dem Herzinfarkt gestorben wäre, bei dem ich dachte, dass ich sterben würde. Er wäre weitergelaufen und ich hätte keinen Körper mehr gehabt – das wäre die einzige Änderung gewesen.

    Mein ganzes Erwachsenenleben lang bin ich ein großer, kräftiger Mann gewesen: über einen Meter achtzig groß und über hundert Kilo schwer, dabei aber fit und gesund. Ich habe Krankheiten gehabt und gebrochene Knochen, aber nichts hat mich für lang umgehauen. Aber ich fürchte, dass diese Tage vorüber sind, denn das hier war mein zweiter Herzinfarkt, von dem Sie mich gerade wieder zurückkommen sahen, und ich bin Realist genug, um zu wissen, dass ich den dritten Aufruf, das Zeitliche zu segnen, wahrscheinlich nicht ignorieren können werde.

    Ehrlich gesagt bin ich nicht einmal sicher, dass ich das wollte. Ich bin jetzt einundsiebzig, ich lebe in einem Altenheim in Südspanien und meine Frau und meine Freunde sind alle schon vor mir gestorben. Verstehen Sie mich nicht falsch, es ist ein sehr komfortables Heim, das eigens für englischsprachige Oldies wie mich betrieben wird. Es ist wirklich sehr nett, aber es ist kein Zuhause, wie Sie sicher verstehen werden, und das Bett, das sie mein eigenes nennen, ist nicht das Bett, das ich mit meiner Frau geteilt habe, bis sie vor zwei Jahren, drei Monaten und siebzehn Tagen starb.

    Es war dieses unser Bett, von dem aus sie ins Krankenhaus gebracht wurde, wo sie verstarb, ohne das Bewusstsein wieder zu erlangen. Sie hat ihren ersten Herzinfarkt nicht überlebt. Es ist eine Schande, ich dachte, sie würde..., wenn die Zeit käme. Ich schlief danach eine Weile lang in einem Hotel und dann zog ich in das Heim – Gottes Warteraum, so nennen wir Bewohner es!

    Jedenfalls... ich schweife ab, aber ich fürchte, Sie werden mir vergeben müssen, lieber Leser, denn es stimmt schon, die Gedanken eines alten Mannes schweifen ab. Wenn Sie die Ausdauer haben, bis zum Ende bei mir zu bleiben, will ich Ihnen die Geschichte einer Frau erzählen, die die ganze Welt kennen soll.

    Es ist schwierig, die Geschichte von jemand anderem zu erzählen, und in diesem Fall wird dies erschwert durch die Nebel der Zeit und das Erinnerungsvermögen eines alten Mannes, aber ich werde es schon schaffen, das verspreche ich Ihnen hoch und heilig.

    Ich bin das älteste Kind in meiner Familie, in meiner Generation unserer Familie, sollte ich wohl sagen, drei Jahre älter als mein ältestes Geschwister, und so war ich lange Zeit ein Einzelkind. Ich hatte aber Glück, denn es gab viele Kinder in den fünf Häusern bei unserem, und der Zufall wollte es, dass acht von diesen neun Kindern Mädchen waren. Ich liebte sie alle in der Zeit, bevor ich in den Kindergarten kam, weil ich keine eigenen Schwestern hatte. Ich habe schöne Erinnerungen an Fantasie-Teepartys, bei denen ich der Vater und eines der Mädchen die Mutter waren.

    Die meisten von ihnen waren ein paar Jahre älter als ich, sodass sie, als sie in die Schule kamen, neue Freunde fanden. Schließlich kam auch ich in die Schule. Dort verliebte ich mich mit sechs Jahren in ein Mädchen, das Debbie hieß. Eines Tages nach der Schule, als wir sieben waren, saßen wir bei Donner, Blitz und Regen auf den Schaukeln in der Hoffnung, dass ein Blitz uns einen romantischen gemeinsamen Tod bescheren würde. Natürlich passierte das nicht, alles was wir uns einhandelten, war eine Standpauke von unseren Eltern.

    Dann war da Sally, als wir neun waren. Ich bin ihr immer nachgeschlichen und als sie sagte, ich sei der dritthübscheste Junge, den sie kannte, war ich im siebten Himmel. Als ich fünfzehn war, war da Lesley, die ich aus der Ferne liebte, mit der ich aber nie ein Wort geredet habe. Das ging so, bis ich siebzehn war.

    Ich werde diese wunderbaren Mädchen, unsere Unschuld und die tolle Zeit, die wir zusammen hatten oder haben wollten, nie vergessen.

    Über manche Dinge kann man nicht sprechen, nicht einmal wenn man einundsiebzig und gerade dem Tod von der Schippe gesprungen ist. Und über andere Dinge will man nicht sprechen, weil sie Erinnerungen darstellen, die man am besten für sich genießt. Ich frage mich oft, ob diese ersten Lieben, denn sie waren ja noch nicht meine Geliebten, sich auch gern an mich erinnern, aber ich werde es wohl nun nie mehr erfahren, und das ist wahrscheinlich auch gut so. So kann ich mir einbilden, sie tun es.

    Sehen Sie, ich kann sie nicht fragen, weil ich immer herumgezogen und nie mit jemandem in Verbindung geblieben bin. Das ist ein Grund dafür, dass ich keine Freunde und enge Familie habe. Zuerst ging ich zum Studium an eine Universität zweihundertfünfzig Kilometer von zuhause entfernt und dann kam ich in den diplomatischen Dienst, was ebenfalls viele Reisen bedeutete... aber ich greife voraus.

    Die Mädchen, mit denen ich im Alter von achtzehn bis dreiundzwanzig ausging, begannen Frauen zu werden, und das war noch aufregender. Ich erinnere mich an Janine, Glenys und Andrea... und so viele andere Freunde und Geliebte. Ich träume oft von ihnen allen auf eine Weise, die meiner Frau gegenüber nicht respektlos ist.

    Die Krankenschwester ist hier, um mich einzuschläfern... nicht wie einen alten Hund, Sie verstehen, mehr so wie ein krankes Kind. Ich fürchte, ich laufe Gefahr, zu so einem kranken Kind zu werden. Das ist ein Grund, warum ich Ihnen meine Geschichte bald erzählen will. Ich werde mein Bestes tun, morgen damit weiterzukommen.

    Müesli und frische Ananas mit einer Naturjoghurthaube zum Frühstück, dazu eine Tasse schwachen Kräutertee. Welche Kräuter kann ich vom Geschmack her nicht sagen, aber es ist alles sehr gut, wenn auch vorhersehbar. Mein Zustand wird Joggen noch eine Weile unmöglich machen, also brauche ich viele Ballaststoffe. Der Tee ist wahrscheinlich auch ein mildes Abführmittel.

    Jedenfalls ist mir über Nacht bewusst geworden, dass meine Geschichte, wenn sie eines Tages veröffentlicht werden soll, aufgeschrieben oder aufgenommen werden muss. Ein Diktiergerät wäre am wenigsten anstrengend für mich, also habe ich die Schwester, die mein Frühstück gebracht hat, gebeten, dafür zu sorgen, dass die Heimangestellten eines für mich besorgen. Sie versuchte, sich aus der Sache herauszuwinden, indem sie mich darauf hinwies, dass ich innerhalb der nächsten acht Stunden „nach Hause gehen" würde und es ihnen also selbst auftragen könnte.

    Ich wollte aber nichts davon wissen. „Ich habe nicht vergessen, dass ich heute zurück ins Heim soll, wenn es mir gut genug geht! sagte ich zu ihr. „Rufen Sie sie an und sagen Sie ihnen, sie sollen mir ein Diktiergerät besorgen, wie ich gebeten habe, bitte! Sie zog beleidigt ab, aber Leute in meinem Alter dürfen schon von Zeit zu Zeit ein bisschen schrullig sein, das wird von uns erwartet, und es ist eine Entschädigung für das Altwerden. Man könnte es einen Preis nennen dafür, dass jemand über die zugeteilten dreimal zwanzig plus zehn Jahre hinaus überlebt hat.

    Als eine andere Krankenschwester meine Teller wegräumte, fragte ich wieder nach meinem Diktiergerät. Zehn Minuten später rief sie mich am Telefon bei meinem Bett an und sagte, dass die Sache erledigt würde. Sie sind ziemlich entgegenkommend hier, im Großen und Ganzen, auch dort, wo ich wohne.

    Während wir hier darauf warten, dass die mich „nach Hause" bringen, wo mein Diktiergerät auf mich warten soll, damit ich die Geschichte erzählen kann, die ich Ihnen versprochen habe, will ich die Zeit nutzen, um Ihnen ein bisschen über mich selbst zu erzählen, aber keine Angst, ich werde mich kurzfassen. Ich will Sie nicht langweilen und in der richtigen Geschichte geht es ohnehin nicht um mich. Dies hier ist kein Ego-Trip, wie die guten alten Hippies zu sagen pflegten.

    Ich habe die Siebziger geliebt, aber ich war zu jung, um Spaß an den Sechzigern zu haben.

    Ich wurde in Cardiff, in Südwales, Großbritannien als ältestes Kind einer arbeitsamen Arbeiterfamilie geboren. Mein Vater war nach dem Wehrdienst Zimmermann, aber er hatte bald seine eigene Baufirma, und er und meine Mutter hatten bald eine Familie mit fünf Jungen. Wir wuchsen alle gesund, stark und glücklich auf. Unsere Eltern waren Spiritualisten, und Dad nahm uns jeden Freitag abend mit in die Kirche, wenn er seine Heilungen machte, um meiner Mutter einen wohlverdienten „freien Abend" zu ermöglichen.

    Religion wurde uns jedoch nie aufgezwungen. Unsere Schulen waren Church in Wales, die Pfadfinder waren Methodisten und unsere Lieblingstante war katholisch. Religion war einfach kein Problem in unserer Familie oder Nachbarschaft. Die ersten zwei Dinge, die meine Mutter sagte, an die ich mich erinnere, sind, dass sie sterben würde, bevor sie zweiundvierzig wäre und dass ich Diplomat werden sollte. Beides wurde wahr.

    Englisch war meine Muttersprache; aber im Alter von sechs Jahren begann ich, Walisisch zu lernen, dann folgten Französisch, Deutsch, Latein, Holländisch und Russisch bis zur Geläufigkeit und ein bisschen Chinesisch und Spanisch. Der diplomatische Dienst zahlt einen Bonus für jede Sprache, die man spricht, was ein großer Anreiz für mich war. Dasselbe galt für die Aussicht auf Auslandsreisen, da ich schon mit fünfzehn im Ausland gereist war und studiert hatte. Mit achtzehn war ich bereits ein souveräner Reisender.

    Was mir besonders gefiel, war Autostoppen, aber damals taten das alle junge Leute gern, und aus irgendeinem Grund war es damals sicherer als heute.

    Ich neige dazu, ein Einzelgänger und Denker zu sein, obwohl ich nicht behaupten will, dass ich zu vernünftigeren Schlussfolgerungen komme als andere. Aber ich versuche es, und das war einer der Gründe, warum ich in den diplomatischen Dienst aufgenommen wurde. Ich hatte ein großartiges Leben im Dienst und viel Spaß... aber ich reiße diese Geschichte ja schon wieder an mich, beuge sie zu mir, neige sie in Richtung meiner Lebensgeschichte... Ach ja, ich hatte vergessen... wir müssen ja auf das Diktiergerät warten, bevor wir richtig zur Sache kommen können, nicht wahr?

    Dafür bitte ich um Verzeihung, aber ich bin genauso ungeduldig wie Sie sein müssen. Ehrlich!

    Vom Krankenhaus zum Heim waren es nur ein paar Kilometer, sodass die Fahrt in dem komfortablen Krankenwagen, den man zur Verfügung gestellt hatte, nicht lange dauerte. Tatsächlich verließen wir das Krankenhaus ohne Vorwarnung um elf Uhr Vormittag und um zwölf Uhr Mittag saß ich bereits in einem großen, bequemen Sessel auf dem Gelände des Heims mit Aussicht auf den schönen Jachthafen in Marbella und wartete auf mein Mittagessen.

    Ich weiß, dass Sie schon eine ganze Weile warten, dass ich endlich auf den springenden Punkt kommen, was dieses Buch betrifft, ich habe es nicht vergessen, auch wenn ich nicht mehr genau weiß, wie lange. Als also die Schwester mir mein Mittagessen brachte, fragte ich noch einmal nach dem Gerät. Sie rief mit ihrem Handy den Empfang an und versicherte mir, dass es innerhalb der nächsten Stunde geliefert werden würde. Ich lächelte, dankte ihr, und langte fest zu bei meinem gekochten Fisch mit Salat, wieder gefolgt von Joghurt und Tee.

    Ich mag diese Art von Essen, aber ich war in kulinarischer Hinsicht schon immer leicht zufriedenzustellen, solange ich kein Junk-Food essen muss. Früher bevorzugte ich indische und thailändische Küche, aber das ist nun alles so gut wie verboten für mich, genauso wie Käse, frisches, knuspriges Brot und Rotwein oder Bier, die heutzutage ebenfalls seltene Gaumenfreuden sind.

    Das Essen und die Stunde sind beide vorbei, aber die einzige Änderung in meinen Umständen ist, dass ich müde bin. Wahrscheinlich ist es die Meeresluft. Wenn sie mir mein neues Spielzeug nicht bald bringen, schlafe ich wieder... und werde von den Menschen aus meiner Jugend träumen, Menschen, die vielleicht schon lange tot sind... Vielleicht sollte ich das ja auch sein, welchen Nutzen bringe ich denn hier noch? Essen und trinken und Geld ausgeben, aber wozu? Nur um mich am Leben zu erhalten? Es kümmert doch keinen außer den Eigentümern des Heims, und denen wäre es auch bald egal, wenn mir das Geld ausgehen würde, was es nicht wird... Dafür wird die gute alte britische Regierung sorgen, bis ich den Löffel abgebe.

    Obwohl in gewisser Weise werde ich dadurch zurückgehalten von meiner Reise durch einen weiteren Tod zu einer weiteren Wiedergeburt. Ich kann nicht anders, ich denke immer, mein Geld wäre anderweitig besser ausgegeben. Ich schweife gerade wieder ab, habe ich das Gefühl. Ich muss am Leben bleiben, um Ihnen meine Geschichte zu erzählen, die nicht wirklich meine Geschichte ist, weil sie nicht von mir handelt, ich weiß, ich habe Ihnen das schon mal gesagt, aber ich kenne diese Geschichte fast mein ganzes Leben lang. Das ist der Grund, warum ich mich ans Leben klammere, nicht um des Lebens selbst willen.

    Ehrlich gesagt, kann ich es kaum erwarten, den nächsten Abschnitt meiner Reise zu beginnen, und das schon seit zwei Jahren, sieben Monaten und vierzehn Tagen. Sie fehlt mir so sehr, dass ich jedes Mal weinen könnte, wenn ich an sie denke, zäher alter Mistkerl, der ich zu sein glaube... vorgebe zu sein. Schließlich glaubt jeder diesem Image und lässt einen in Ruhe weitermachen... ohne zu merken, dass das das Letzte ist, was man von ihnen will. Ich habe einfach zu große Angst davor, meine Gefühle zu zeigen, das ist wahr... aber das sind wohl die meisten Männer.

    Naja, jetzt ist es zu spät, um das noch zu ändern... Vielleicht in meinem nächsten Leben oder in dem danach. Es ist eine gute Sache, dass die Ewigkeit so lange ist, das gibt einem ausreichend Zeit, seine Fehler und Schwächen zu korrigieren und, weiß Gott, ich brauche das.

    Da ist eine plötzliche, unerwartete Erinnerung an Ricky, einen Jungen von der Universität. Er war aus Battersea und täuschte einen Cockney Akzent vor. Er benahm sich wie der Hahn auf dem Mist, aber eines Abends bat er mich, mit ihm auf ein indisches Curry zu gehen, weil er noch nie eines gegessen hatte und ein Mädchen beeindrucken wollte, das sagte, es sei ihre Lieblingsspeise. Er betrank sich mit Rotwein und Bier, sodass er mit dem Gesicht in sein Chicken Madras fiel und darin Blasen machte! Hahaha... die gute alte Zeit. Ein Kellner und ich putzten ihn ab und ich brachte ihn nach Hause zu seiner Freundin, die das ganze Haus voller Nacktfotos von sich hatte, die ihre Mitbewohnerin gemacht hatte.

    Ich kann mich nicht mehr an den Namen der Mitbewohnerin erinnern, aber sie war Jüdin und an diesem Abend nahm sie mich zusammen mit noch mehr Rotwein mit in ihr Bett. Ich habe ein schlechtes Gewissen, dass ich mich nicht mehr an ihren Namen erinnern kann, aber Maria oder Marsha scheint zu dem Gesicht zu passen, dass ich in meinem Kopf sehe. Seltsam, ich habe fast fünfzig Jahre nicht an diese drei Leute gedacht.

    Entschuldigung, ich muss wohl eingenickt sein. Da ist ein Zettel, der unter meiner Tasse steckt: „Ihr Diktiergerät befindet sich an der Rezeption. Bitte, rufen Sie an und man wird es zu Ihnen hinausbringen." Ich freue mich für Sie genauso wie für mich selbst, lieber Leser, denn jetzt kann ich mein Versprechen halten, und Sie werden sehen, ob das, was ich gesagt habe, wahr ist oder nicht. Einen Moment bitte, ich muss einen Anruf machen.

    „Da haben Sie, William. Ich war so frei und habe es aufgeladen, während Sie geschlafen haben. Viel Spaß damit", sagte das Mädchen, das es brachte.

    „Ja, danke, das werde ich, antwortete ich fröhlich, aber ich dachte „Was für eine freche Göre! Manche der jüngeren behandeln uns, als ob wir senil wären. Das ärgert mich. Es stimmt, dass manche von uns total plemplem sind, aber nicht alle... noch nicht.

    Ich spielte mit dem Nokia, drehte es in meinen Händen auf der Suche nach vertrauten Merkmalen. Es war ein einfaches Gerät, genau das, was ich wollte... es konnte auch sprachaktiviert werden. Moderne Technologie war mir nicht fremd, aber da hatte ich einen weiteren plötzlichen Einfall. Ich habe Tausende von Berichten geschrieben, aber noch nie eine Biographie. Ich habe viele gelesen, ja, aber noch nie eine geschrieben. Ich weiß nicht, wie ich anfangen soll. Wirklich! Das ist total nervig. Ich, wir, haben vierundzwanzig Stunden auf das Diktiergerät gewartet und jetzt kann ich immer noch nicht anfangen!

    Ich hob meine Tasse, um den Tee auszutrinken, und eine warme Brise blies den Zettel den Rasen runter. Mir wird klar, dass die Geschichte, die ich erzählen will, ihre Geschichte, nicht hätte passieren können, wenn nicht zuerst andere Ereignisse stattgefunden hätten... Also, in diesem Fall, wo Sie bis jetzt so nachsichtig mit mir waren, will ich Sie noch ein bisschen weiter drängen und Sie ganz an den Anfang zurücktragen, so weit zurück, wie es mir nur menschenmöglich ist. Der wirkliche Beginn dieser Geschichte liegt in einem anderen Land, das sich fast ein Jahrzehnt vor meiner Geburt in einer sehr misslichen Lage befand.

    Die Frau, von der ich Ihnen eigentlich erzählen will, hatte viele

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